Trainingsprogramm „Post-Conflict Recovery of Cultural Heritage“


Projekt:
Post-Conflict Recovery of Cultural Heritage in Jordanien/Libanon
Projektleitung: Prof. Dr.-Ing. Thekla Schulz-Brize
Wissenschaftliche Mitarbeiter: Dipl.-Ing. (FH) Mada Saleh M.Sc., Dipl.-Ing. Claudia Winterstein, Katharina Sahm M.A.
Kooperationspartner: GJU Amman, Lebanese University Beirut, Archaeological Heritage Network
Förderung: Auswärtiges Amt im Rahmen des Projektes „Stunde Null – Eine Zukunft für die Zeit nach der Krise”

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Im Rahmen des Projektes „Stunde Null – Eine Zukunft für die Zeit nach der Krise“ initiierte das Fachgebiet Historische Bauforschung und Baudenkmalpflege der TU Berlin das Programm „Training Course on Post-Conflict Recovery of Cultural Heritage“. Das Trainingsprogramm wird in Jordanien und im Libanon in Kooperation mit der German Jordanian University (GJU) in Amman und der Libanesischen Universität in Beirut durchgeführt und erfährt darüber hinaus Unterstützung durch das Orient-Institut Beirut sowie das MMAG (Mohammad and Mahera Abu Ghazaleh Foundation for Art & Culture) und das Deutsche Evangelische Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes (DEI) in Amman. Es wird vom Auswärtigen Amt großzügig gefördert und ist Teil des Archaeological Heritage Network, das auf Initiative des Deutschen Archäologischen Instituts gegründet wurde.

Das Programm umfasst sowohl theoretische als auch praktische Perspektiven der Baudenkmalpflege. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf den Herausforderungen und den Möglichkeiten, mit denen die Belange des Kulturerhalts in Postkonfliktsituationen konfrontiert sind. Die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer erlernen verschiedene Methoden der Bauaufnahme, Bauforschung, Konservierung, Nutzungsplanung und des Site Management, die aufeinander aufbauend den strukturierten Ablauf denkmalpflegerischer Praxis abbilden. Anhand von Studienobjekten werden die Inhalte des Programms mit einer Kombination aus theoretischen und praktischen Unterrichtseinheiten vermittelt. In Amman dient das römische Al-Nuaijis Mausoleum aus dem 2./3. Jh. n. Chr. als Studienobjekt, in Beirut der Bahnhof Hadath, der Teil der ersten Eisenbahnlinie des Libanon ist, die im späten 19. Jh. n. Chr. Beirut mit Damaskus verband.

Als Maßnahme des Capacity building zur Vermittlung von Wissen und zum Aufbau von Fähigkeiten richtet sich das Trainingsprogramm an syrische Absolventen und Berufseinsteiger, insbesondere an Geflüchtete. Es bezieht darüber hinaus aber auch junge Fachleute aus Jordanien und dem Libanon ein, um auch ihnen die Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit Aufgaben und Methoden des Kulturerhalts zu eröffnen. Damit trägt das Programm zum Aufbau von denkmalpflegerischer Kompetenz und Erfahrung bei und fördert zudem die Entwicklung eines regionalen Netzwerks für einen engen Austausch in diesem Bereich.

Insgesamt umfasst das Programm einen Zeitraum von sechs Monaten. Dieser ist in zwei unterschiedliche thematische Blöcke gegliedert, die jeweils mit einem vor Ort durchgeführten Workshop beginnen. Der erste Workshop fand zwischen dem 6. und 27. Juli in Amman statt und hatte acht Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Syrien und Jordanien. Parallel dazu fand zwischen dem 15. Juli und dem 3. August ein weiterer Workshop in Beirut statt, an dem sich 17 junge Fachleute aus dem Libanon und aus Syrien beteiligten. Sie decken unterschiedliche fachliche Disziplinen ab und stammen aus verschiedenen Städten und Regionen.

Während dieses ersten Themenblocks erarbeiteten sich die Kursteilnehmerinnen und teilnehmer anhand ihrer Arbeit an den Studienobjekten in Amman und Beirut eine breite Palette an Dokumentationsmethoden, die sowohl eine genaue als auch eine effiziente Arbeit ermöglichen und damit besonders geeignet für den Einsatz in Krisenregionen sind. Dabei wurden die grundlegenden Techniken des traditionellen Handaufmaßes erweitert durch die tachymetrische Bauaufnahme sowie digitale 2D- und 3D-Photogrammetrie bzw. Structure from Motion (SfM). Weitere Dokumentationsformen wie die Erstellung eines Raumbuches und das Verfassen von Baubeschreibungen ergänzten die zeichnerische Dokumentation. Daneben erfolgte die Bau- und Konstruktionsanalyse des Objekts sowie die Erfassung der Werkzeugspuren und weiterer Hinweise auf bauliche Veränderungen. Auf dieser Basis wurden schließlich Bauphasenpläne entwickelt, die beispielhaft für einzelne Bereiche des Objekts seine Bau- und Nutzungsgeschichte darstellen.

Während des zweiten Workshops, der zwischen dem 22. September und dem 3. Oktober in Amman sowie zwischen dem 30. September und 11. Oktober in Beirut stattfand, erlernten die 25 Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer die verschiedenen Methoden der Material- und Schadenskartierung. Während sie für das archäologische Denkmal in Amman einen Site Management Plan entwickelten, wurden für den neuzeitlichen Bahnhof in Beirut Konzepte zur Konservierung und denkmalgerechten Nutzung des Objekts erstellt. Neben der Arbeit an den Studienobjekten wurden einzelne inhaltliche Aspekte des Trainingsprogramms im Rahmen von Exkursionen an ausgewählten Objekten in Baalbek, Byblos, Gerasa und am Qasr el-Abd vertieft.

Ein wesentliches Merkmal des Trainingsprogramms besteht in der eigenständigen Anwendung der Kenntnisse und Fertigkeiten, die die Kursteilnehmerinnen und teilnehmer während der Workshops erworben haben. Durch die direkte Umsetzung der einzelnen Arbeitsschritte im denkmalpflegerischen Prozess – von der Dokumentation bis zur Erstellung von Konservierungs- und Nutzungskonzepten – qualifizieren sie sich für spätere selbständige Tätigkeiten im Berufsfeld Denkmalpflege und Kulturerhalt. Dementsprechend bildeten sich bereits während des ersten Workshops kleine Arbeitsgruppen heraus, die sich jeweils ein historisches Bauwerk als eigenes Untersuchungsobjekt wählten. Insgesamt entstanden zehn Einzelprojekte, die eine große Bandbreite an Bautypen und Bauzeiten in Jordanien, Syrien und dem Libanon abdecken. Unmittelbar im Anschluss an den ersten Workshop begannen die Gruppen mit der eigenständigen Arbeit an ihren jeweiligen Projekten. Sie wurden dabei aus der Ferne betreut. Während des zweiten Workshops präsentierten alle Gruppen ihre bisherigen Ergebnisse und stellten sie zur Diskussion.

Derzeit sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Trainingsprogramms mit dem Abschluss der Arbeiten zu ihren Einzelprojekten beschäftigt. Die Abgabe und die Bewertung ihrer Untersuchungen erfolgen zum Jahresende. Es ist geplant, die einzelnen Projektergebnisse auf der Webseite des Fachgebiets Historische Bauforschung und Baudenkmalpflege vorzustellen.

Abbildungen: Projektteam „Post-Conflict Recovery of Cultural Heritage“ der TU Berlin