Dissertationsprojekt: Bauforschung im spätantik/frühmittelalterlichen Stadtquartier südlich der Marienkirche
Betreuung: Prof. Thekla Schulz-Brize (Berlin), Prof. Beate Böhlendorf-Arslan (Marburg)
Bearbeitung: Katharina Sahm M.A./M.A.
Kooperationspartner: Österreichisches Archäologisches Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
Förderung: Landeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an bayerischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften
opus sectile Böden in der Apsis der Empfangshalle von Haus 1 (Zeichnung K. Sahm)
In den Jahren 2011-2018 wurden vom Österreichischen Archäologischen Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften im Hafengebiet von Ephesos spätantike Wohnstrukturen ausgegraben, die im Rahmen einer an der TU Berlin angesiedelten Dissertation bauforscherisch aufgenommen und ausgewertet werden.
Das vordringlichste Ziel der Arbeit ist die Dokumentation der freigelegten Strukturen. Dazu wurden mehrere steingerechte Horizontal- und Vertikalschnitte im Maßstab 1:20 erstellt und ein sehr ausführliches Raumbuch angelegt. Darin werden die Wände, Böden und alle weiteren baulichen Befunde des jeweiligen Raumes durch Fotos belegt und beschrieben. In das Raumbuch fließen auch Beobachtungen und Ergebnisse aus der Grabungsdokumentation ein. Im Zuge der Arbeiten wird das relativchronologische Verhältnis der einzelnen Bauelemente zueinander untersucht, wodurch relative Bauphasen identifiziert werden konnten, die sich allerdings immer nur auf einzelne Raumgruppen beziehen. Parallel zu der bauforscherischen Untersuchung werden die verschiedenen Fundgattungen (Münzen, Keramik, Kleinfunde, usw.) von Mitarbeiter*innen des Österreichischen Archäologischen Instituts ausgewertet. Wenn diese Arbeiten abgeschlossen sind, sollen die Ergebnisse der Arbeiten zusammengefasst werden, um ein umfassendes Bild der spätantiken Wohnbebauung gewinnen zu können. Dadurch wird es hoffentlich auch möglich sein, gebäudeübergreifende Bauphasen zu rekonstruieren.
Ziel der Ausgrabungen war es, das Wohnen im spätantiken Ephesos zu untersuchen und einen Eindruck von der ursprünglichen Gestalt der Häuser und ihrer Nutzung zu gewinnen. Erst im Laufe der Arbeiten kristallisierte sich heraus, dass es sich bei den freigelegten Strukturen nicht um eine große Stadtresidenz, sondern um drei autarke, nebeneinander liegende Häuser handelte, die in Bezug auf Grundfläche und Ausstattung sehr unterschiedlich sind. (Abb. 1) Dies zeigt, dass der Vergabe der Baugrundstücke keine gleichmäßige Parzellierung zugrunde lag. Geophysikalische Messungen haben gezeigt, dass sich die Bebauung nach Osten und Westen fortsetzte, was bedeutet, dass die Komplexe Teil eines ausgedehnteren spätantiken Wohnviertels waren. (Abb. 2) Zu diesem Stadtquartier gehörte wohl auch die spätantike Wohnbebauung, die im späten 19. Jh. bei Grabungen im Bereich des Hafengymnasiums freigelegt wurde. Die im Zuge der Dissertation untersuchten Häuser wurden von Norden erschlossen, wo eine breite Straße zum Hafen führte. Unmittelbar gegenüber auf der anderen Straßenseite lag die der Maria geweihte Bischofskirche von Ephesos. Der Nordfassade der Häuser war eine Portikus aus Granitsäulen vorgeblendet, von denen drei noch in situ erhalten geblieben sind.
An Hand von Ausstattung und Form lässt sich die Funktion einiger Räume deutlich ablesen. Im größten Haus (1, im Westen) lassen sich auf diese Weise verschiedene funktionelle Bereiche fassen, die räumlich klar voneinander getrennt sind. Im Norden an der Straße liegen einige Räume mit kostengünstigen Lehmböden. Einer davon (1.4) ist nur von der Straße aus zu betreten und verfügt über keine Verbindung zum Rest des Hauses. An Hand dieser Charakteristika lässt er sich als Taberna identifizieren. Andere Räume (1.1, 1.6 bis 1.8) in diesem Bereich sind mit dicken strapazierfähigen Marmorplatten ausgelegt, in Raum 1.6 deuten in die Platten gekerbte Rillen darauf hin, dass hier mit Flüssigkeiten gearbeitet wurde. Fest installierte Einbauten wie Arbeitsplattformen, Öfen, ein Schacht und ein großes Vorratsgefäß weisen auf Hauswirtschaftsräume hin. Der Norden des Hauses wurde also für gewerbliche oder auch hauswirtschaftliche Belange genutzt. Die Raume im Süden unterscheiden sich in ihrer Form und Ausstattung deutlich von den oben beschriebenen. Im Südwesten wurde eine repräsentative Raumflucht freigelegt. (Abb. 3) Sie besteht aus einem schmalen Vorraum (1.13), der vom Peristyl des Hauses aus zu betreten ist. Von dort gelangt man über einen mittig in der Südwand gelegenen Durchgang in den annähernd quadratischen Raum 1.14, der sich im Süden fast auf ganzer Breite zu dem eine Stufe höher gelegenen Raum 1.17 öffnet. Alle drei Räume sind mit polychromen Mosaiken ausgelegt und damit klar als Repräsentationsräume gekennzeichnet. Ein großer Raum (1.16) im Südwesten von Haus 1 ist auf Grund der um eine Stufe erhöhten Apsis vermutlich als Audienzhalle anzusprechen. Er war mit Inkrustationsmalereien an den Wänden, Wandverkleidungsplatten und einem polychromen opus sectile Boden sehr aufwändig ausgestaltet und hatte zweifellos ebenfalls einen repräsentativen Charakter. (Abb. 4) Auch im Raum 1.18, der zwischen der Raumflucht mit den Mosaiken und dem Apsidensaal liegt, war ursprünglich ein opus sectile Boden verlegt. An Hand der Ausstattung lassen sich also ganz deutlich ein repräsentativer Bereich im Süden und ein gewerblicher bzw. hauswirtschaftlich genutzter Bereich im Norden unterscheiden.
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